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Baustellen in Theorie und Praxis

Darmstadt ist in der Theorie gut aufgestellt, wenn es um die Frage geht, wie man als Fußgänger oder Radfahrer durch eine Baustelle geführt wird. Die Stadt hat dazu einen eigenen Leitfaden herausgegeben. Auf 40 Seiten wird erläutert, wie man bei Baustellen im Seitenraum vorgeht, um den Rad- und Fußverkehr sicher abzuwickeln.

Der Leitfaden erklärt mit vielen anschaulichen Plänen die Grundsätze, wie man Notwege anlegt, worauf man achten muss und geht auf Details wie die Anrampung von Bordsteinen ein. Der Leitfaden liest sich ganz ausgezeichnet und schließt damit ab, dass man die Umsetzung der Verkehrszeichenpläne vor Ort überprüfen sollte.

In der Praxis passiert so gut wie nichts davon. Bringt man Mängel bei der Stadtverwaltung vor, erhält man in der Regel keinerlei Antwort. Wie ich allerdings immer wieder feststelle, wird jede E-Mail gelesen, die man an die Stadt richtet. Fragt man dann nach, warum man keine Antworten erhält, wird regelmäßig auf Personalmangel verwiesen und dass es sehr schwierig sei, die Informationsflüsse von allen beteiligten Stellen zu bündeln und das Ergebnis dem Bürger mitzuteilen. Das mag nicht ganz falsch sein, aber es ist vermutlich auch Teil der Wahrheit, dass man sich sehr schwer damit tut, Fehler einzugestehen. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Wo Fehler passieren, geraten Fußgänger und Radfahrer schnell in besondere Gefahren. Ganz nebenbei braucht man sich auch langfristig nicht zu wundern, wenn Verkehrsteilnehmer die Regeln nicht ernst nehmen, wenn die Verwaltung diese nur sehr zaghaft umsetzt.

Ich bin mittlerweile in einem ganz guten Rhythmus angelangt. Sehe ich eine schlechte Baustelle, mache ich ein Foto mit der Allzweckwaffe (Smartphone), tippe drei Zeilen dazu und schicke es noch an Ort und Stelle an die Verwaltung.

Ein gutes Beispiel ist hier die Baustelle auf der Landgraf-Georg-Straße, die aktuell auf Höhe der Merckstraße eingerichtet ist.

Die Landgraf-Georg-Straße ist die als B 26 klassifizierte Ortsdurchfahrt von Osten und von Grundstückskante zu Grundstückskante etwa 25 m breit. An manchen Stellen ist sie nochmal erheblich aufgeweitet, um die Gehwege, schmale Radwege (ohne Benutzungspflicht und mit miserablem Asphaltbelag), vier Fahrstreifen für Kraftfahrzeuge, zwei Busspuren und zum Teil noch Parken auf der Fahrbahn aufzunehmen. Auf einer solchen Achse ist es offensichtlich, dass Fußgänger und Radfahrer besonderen Schutz brauchen.

Aber nicht offensichtlich genug für die Stadtverwaltung oder den Bauherren, der dort an einem Verteilerkasten und unter dem Gehweg arbeitet. In einer ersten Iteration sah die Baustelle so aus. Das Bild hat mir ein Freund zugeschickt:

Landgraf-Georg-Straße, 27. November 2017

Der eigentliche Gehweg war vollständig gesperrt, Fußgänger und Radfahrer sollten sich etwa 1,40 m teilen und Radfahrer verpflichtet werden, durch diese Engstelle zu fahren. Der Radweg hat dort seit Jahren keine Benutzungspflicht mehr und wurde durch das Zeichen 240 („gemeinsamer Geh- und Radweg“) wieder benutzungspflichtig gemacht. Was für ein Unsinn, Radfahrer rechtlich gesehen in eine Engestelle inkl. Fußgänger zu lenken, wenn mehr als 6 m Fahrbahn mit zwei Fahrstreifen bergab genutzt werden können.

Ich habe mich daraufhin an die Stadt gewendet und keine Antwort auf meine E-Mail erhalten. Ein paar Tage später war die Baustelle weg und ich habe den Fall für mich abgehakt.

Am 12. Dezember ist die Baustelle dann wieder aufgetaucht, allerdings diesmal ohne Zeichen 240.

Landgraf-Georg-Straße, 12. Dezember 2017

Die Situation mag auf den ersten Blick gleich wirken, hat nun aber ganz andere Bedeutung. Der Radweg ist ja ohne Benutzungspflicht, dennoch ist er ein Sonderweg für Radfahrende. Man darf dort z.B. nicht laufen oder parken. Für regeltreue Fußgänger wäre hier also Schluss, in der Realität laufen sie dann natürlich auf dem Radweg weiter und bringen sich und den nachfolgenden Radverkehr in Gefahr, weil man wiedermal nicht an Leute mit zwei Beinen, sondern nur an welche mit vier Rädern gedacht hat.

Jetzt reichte mir das Schlamassel endgültig und ich habe wieder eine kurze Mail an die Stadt geschrieben, aber diesmal explizit auf ihren eigenen Leitfaden hingewiesen und einen Notweg gefordert.

Heute sieht es jetzt so aus: Die Baustelle wird rechtzeitig angekündigt und dem Kfz-Verkehr ein Fahrstreifen weggenommen.

Landgraf-Georg-Straße, 19. Dezember 2017

Unmittelbar vorm Einfädeln schützt eine unübersehbare beleuchtete Warntafel auf einem Anhänger den Rad- und Fußverkehr.

Landgraf-Georg-Straße, 19. Dezember 2017

Der Fußverkehr kann vollkommen bequem durch die Baustelle laufen. Es ist etwas unklar, ob der Weg auch für Radfahrende gedacht ist. Manche fahren durch, andere fahren außenrum.

Landgraf-Georg-Straße, 19. Dezember 2017

Am Ende geht es wieder auf den Bordstein hoch, die Kante lässt sich mit Kinderwagen, Rollstuhl und ggf. Fahrrad ohne Absteigen überwinden.

Landgraf-Georg-Straße, 19. Dezember 2017

Die Stadt Darmstadt kann, wenn sie will. Nur will sie nicht immer oder hat Wichtigeres zu tun. Naja, dann mache ich ihr weiter Druck.

Manchmal werde ich gefragt, ob ich zu viel Zeit hätte. Nein, eigentlich habe ich wirklich schönere Dinge im Leben vor. Aber dieses Leben kann schnell zu Ende sein, wenn man der Stadt ihre Schlamperei bei der Verkehrsführung durchgehen lässt.

Mahnwache für getötete Radfahrerin, Mittwoch 18:00 Uhr

Am Dienstagmorgen ist eine Radfahrerin auf der Kreuzung Bismarckstraße/Kasinostraße von einem LKW erfasst und getötet worden. Wir gedenken ihrer in aller Stille.

Update: Es ist ein Zeitungsartikel im Darmstädter Echo erschienen. Das Schild im Pressefoto war von Seiten der Veranstalter nicht erwünscht und wurde von dem Teilnehmer leider erst weggepackt als das Foto bereits gemacht war.

Mahnwache für getöteten Radfahrer, Freitag 18:00 Uhr

Am Donnerstag, 23. November wurde ein Radfahrer durch einen rechts abbiegenden LKW an der Kreuzung Bismarckstraße/Grafenstraße tödlich verletzt.

Unfälle dieser Art können durch eine sichere Verkehrsführung vermieden werden. Wir halten deshalb am Freitag um 18:00 Uhr eine Mahnwache ab, um in aller Stille für eine Verbesserung der Situation zu demonstrieren.

Presselinks

  1. Erster Unfallbericht im Darmstädter Echo
  2. Aktualisierter Bericht in der Frankfurter Rundschau
  3. Bericht in der Hessenschau
  4. Stellungnahme weGErecht e.V.
  5. Bericht über die Mahnwache
  6. Stellungnahme Polizei und ADFC

200 Mio Euro für sichere Radwege?

In Kopenhagens Innenstadt sind jetzt mehr Fahrräder als Autos unterwegs.


Warum? Weil konsequent sichere Radinfrastruktur gebaut wurde. Es gibt hier keinen Unterschied in der Kultur. Es ist schlicht billiger, zuverlässiger, schneller und gesünder, mit dem Fahrrad zu fahren. Also machen es die Leute, sobald man ihnen richtige Wege anbietet. Separiert von Auto- und Fußverkehr, mit glattem Belag, breit genug um einander zu überholen und mit eindeutiger Führung an jeder Kreuzung, deren Ampelschaltung zügig zwischen den Phasen wechselt.

Esplanaden

Die dortige Stadtverwaltung hat erkannt, dass Radwege bei weitem günstiger als andere Modalitäten sind. Um es ganz deutlich zu machen: Die Investitionen der letzten zwölf Jahre in den Radverkehr waren günstiger als eine einzige Umgehungsstraße im Norden der Stadt.


Sicher herausragend sind die Brücken Cykelslangen und Bryggebroen, aber auch die ganz normalen Wege in der Stadt sind in einem sehr guten Ausbauzustand und überall da, wo man den Bord überwinden möchte, gibt es kleine Rampen:

Artillerivej

Dieses Detail hat mir bei meinem Besuch im September am besten gefallen. Es ist eine simple und funktionierende Lösung für die Kehrseite der Wege auf den drei verschiedenen Niveaus (Kraftfahrezeuge unten, Fahrräder eine Stufe höher, Gehwege eine weitere Stufe höher), nämlich dass man nicht so gut die Straßenseite wechseln kann.

In Darmstadt ist das anders. Auf der Heidelberger Straße beispielsweise fährt niemand gerne Rad, aber auch Autoparken ist eine Qual:

Heidelberger Straße

Die Lösung wäre wohl, die Parkspur komplett aufzugeben und den Belag in einen fahrradtauglichen Zustand zu bringen. Aber nicht nur dort, sondern überall und dann sind wir schnell bei der Frage, wer das bezahlen solle und von welchem Geld.

Ich würde deshalb gerne mal seriös und ohne Schaum vom Mund für Darmstadt ausgerechnet wissen, was man hier an Stelle der 200 Mio Euro teuren Nordostumgehung machen könnte, um die Kopenhagenisierung zu vollziehen. Richtig geplant und umgesetzt, würde entlang der Hauptrouten die ein oder andere Kfz-Spur inkl. Parkplätze wegfallen, aber mit ihr auch der motorisierte Verkehr. Das ist die wichtigste Lehre: Das Mobilitätsbedürfnis der Menschen bleibt immer da, wie es in Verkehr umgesetzt wird, bestimmen die angebotenen Wege.

Dänemarks Technische Universität

Die Feinstaubwerte wären plötzlich in Ordnung, die Menschen sicher und ein Stück glücklicher unterwegs. Die allerwenigsten fahren heute gern Rad in Darmstadt, aber auch im Auto ist es nicht leicht. Also sollte man in Darmstadt, eine Stadt die in ihrer Bevölkerung wächst, aber ihre Grenzen nicht ausdehnen kann, alles daran setzen, dass die Menschen gerne zu Fuß gehen und das Fahrrad nutzen. Wie man es macht, sieht man leicht in Kopenhagen.

Baustellen als Verkehrsberuhigung

Heute Nachmittag war ich in der Innenstadt von Darmstadt, um ein paar Besorgungen zu machen. Wie immer fahre ich mit dem Rad über die Spreestraße in die Albert-Schweitzer-Anlage. Als ich an der Hindenburgstraße ankomme, bemerke ich, dass dort eine Baustelle eingerichtet ist, die ein paar Tage zuvor noch nicht da war. Mir war auch nicht bekannt, ob die Straße ähnlich wie einige andere in Darmstadt in den Ferien erneuert werden sollte. Tatsächlich war die Ampelanlage, die im Regelfall den Fußgängern eine Querung des 15 Meter breiten Fahrbahnprofils bieten soll, ausgefallen. Es waren mehrere Arbeiter und Fahrzeuge im Einsatz und ich umkurvte die Baustelle.

So weit, so banal. Auf dem Rückweg war zwischenzeitlich Feierabend und offensichtlich hatte es die Kolonne nicht geschafft, die Anlage vorher wieder in Betrieb zu nehmen. Ob sie vielleicht tatsächlich wieder funktionstüchtig war, aber ein bürokratisches Hindernis wie eine gesonderte behördliche Abnahme nötig ist oder Ersatzteile nicht verfügbar waren, soll an der Stelle nicht interessieren.

Meine Aufmerksamkeit war eher auf die Tatsache gelenkt, dass ich im Feierabendverkehr noch nie so schnell und einfach von der einen zur anderen Straßenseite wechseln konnte wie heute. Doch warum war das so?

Defekte Ampel in der Hindenburgstraße

Als behelfsmäßige Querungshilfe waren Baustellenabsperrungen um die Fußgängerfurt aufgebaut und die vierstreifige Straße auf einen Fahrstreifen pro Richtung verengt. Kraftfahrer mussten sich also einer nach dem anderen einreihen und zusätzlich war ein Tempolimit von 30 km/h beschildert worden. So entstand quasi eine Mittelinsel ohne zugleich eine Behinderung für Fußgänger und Radfahrer zu sein. Im Regelfall sind Inseln so ausgestaltet, dass man eine kleine Bordsteinkante überwinden und noch Ampel- und Schildermasten umkurven muss. Nichts in dieser Art heute: kein Drücken der Bedarfsampel und beim Warten im Sattel balancieren. Für die erste Etappe ein Blick nach links und in die Mitte; dann ein kurzer Blick nach rechts und weiter. Kein Auto musste großartig langsamer werden, niemand hat versucht noch bei Gelb drüber zu rauschen. Keiner musste wieder auf Grün warten, was passiert, wenn nur wenige Fußgänger die Straße queren. Und das alles aus einer improvisierten Lösung heraus.

Manchmal kann Verkehrsberuhigung so unaufgeregt und wirkungsvoll sein, dass sich keiner der Akteure bewusst ist, was er da eigentlich gerade geschaffen hat. Morgen, spätestens in ein paar Tagen darf dann wieder in beide Richtungen gerast werden und alle ohne Motor müssen an der Ampel ihren Bedarf anmelden. Quasi einen Antrag stellen, auch mal rüber zu dürfen.

Kultur als Motor?

Am Donnerstag war ich bei der Veranstaltung Kultur als Motor – Rheinstraßen-Entrée im Publikum. Leider bin ich etwas zu spät gekommen, da vorher noch Stupa-Sitzung war, in der ich einen Bericht abgegeben habe.

Rheinstraße

Kurzum, wurde auf dem Podium wie in der Publikumsrunde, in der auch viele Architekt*innnen saßen, eine Menge über die einzelnen Gebäude gesprochen. Sicher hat diese Diskussion einen Wert für sich, aber wer von einer Straße redet, sollte sich auch für die makroskopische Ebene und den Raum zwischen den Häusern interessieren.

Der öffentliche Bereich einer Straße ist der, in dem sich die Aufenthaltsqualität erfahren lässt und natürlich auch der, in dem Verkehr stattfindet. Und solange Verkehr in Darmstadt überwiegend motorisiert ist (vgl. sogar die Motor-Metapher im Titel der Veranstaltung), wird es nichts mit hoher Aufenthaltsqualität, da Lautstärke und Abgase alle Qualitäten beseitigen, die Kunst am Bau liefern kann.

Bericht im Darmstädter Echo

Ride of Silence

Unter dem Titel Ride of Silence habe ich zusammen mit einigen Freunden und Kontakten aus der Darmstädter Radszene gestern eine Gedenkfahrt organisiert. Wir sind 10 km Strecke mit dem Rad abgefahren und hätten quasi an jeder Stelle anhalten können, um auf die gedankenlose Verkehrsführung für Radfahrer in Darmstadt hinzuweisen, die immer wieder für gefährliche Situationen sorgt. Da die Tour von der Polizei begleitet wurde, konnten alle sicher auf der Hauptfahrbahn unterwegs sein und mussten sich weder Konflikten mit der Infrastruktur noch mit Autofahrern hingeben. Auch die Fußgänger hatten ihren Raum, um die es mir immer besonders leid tut, wenn ein (benutzungspflichtiger) Radweg in den Gehweg gelegt wird.

Ghost Bike an der Ecke Landgraf-Georg-Straße/Fiedlerweg

Ghost Bike an der Ecke Landgraf-Georg-Straße/Fiedlerweg

Im November 2015 ist ein Radfahrer in Darmstadt überfahren worden, in ganz Deutschland waren es etwa 400. Eine Zahl, die mich nachdenklich macht, weil es doch gerade die Radfahrer sind, die sich für ein sozial wie ökologisch ausgewogenes Verkehrsmittel entscheiden und die planerische Vision der autogerechten Stadt in Frage stellen. Bewusst oder unbewusst stellen sie dieser den Entwurf einer menschengerechten Stadt gegenüber, in der Straßenverkehr ohne nennenswerte Gefahren, Schall- und Abgasemissionen Realität werden könnte. Unbestritten hat jeder Mensch den Drang zur Mobilität. In einer verdichteten Stadt sollte diese so behutsam und leise wie möglich verwirklicht werden, damit der öffentliche Raum keine bloße Transitzone, sondern auch für ein nettes Gespräch gut ist und hohe Aufenthaltsqualität bietet. Selbst für die Wirtschaft wäre es besser, weil Menschen mehr einkaufen, wenn sie gerne und oft in die Innenstadt kommen.

Kaum fand die Tour auf dem Karolinenplatz ihr Ende, brausten die Autos ungeduldig an uns vorbei und man hatte Schwierigkeiten das eigene Wort zu verstehen. Neben der Schweigeminute am Ghost Bike vielleicht der wichtigste Eindruck aus dem Ride of Silence.

Radfahrstreifen als Parkstreifen

Daniel arbeitet es wieder mal auf den Punkt genau heraus.

Meine letzten Erfahrungen mit Parkenden auf Radfahrstreifen in Darmstadt sind so verlaufen, dass „Du Hurensohn!“ noch die freundlichste Bemerkung ist, die mir Leute entgegen schleudern, wenn ich ein Foto von ihrem PKW auf der Radspur knipse.

Auf der Rheinstraße stehen sie besonders gern im Weg

Tätliche Angriffe, die von den Fotografierten kommen, sind zwar die Ausnahme, kommen leider auch immer wieder vor. Dabei sage ich nicht einmal mehr was. Schweigend nehme ich das Handy aus der Tasche, mache ein Bild und schiebe mein Rad dann um den PKW herum.

Auch schon vorgekommen ist, dass mich Autofahrer nach einem Foto wild hupend verfolgt und bedrängt haben, bis ich dann gemütlich in die nächste Fußgängerzone mit Radfahrer frei abgebogen bin.

Auf das Handy reagieren sie allergisch, steht doch die Möglichkeit im Raum, dass es Beweise für das asoziale Verhalten gibt. Ich mache die Bilder gar nicht, um jeden Falschparkenden individuell anzuzeigen. Es geht darum, um in Gesprächen mit der Stadtverwaltung einen Katalog zu haben. Es geht darum, die traurige Feststellung deutlich zu machen, dass die wenigen Wege für Radfahrer nutzlos sind, die die Planer eingezeichnet haben.

Was bleibt für dich zu tun? Morgen um 19:00 Uhr zur Critical Mass auf den Karolinenplatz kommen und wenigstens einmal im Monat sicher und zügig mit dem Rad unterwegs sein.

Leben schenken

Heute habe ich zum zehnten Mal an der Blutspende teilgenommen. Mir war bis zur Anmeldung gar nicht bewusst, dass es die zweite Ehrung ist, weil ich meinen Blutspendeausweis verlegt habe und zu faul war, ihn zu suchen. Die erste kleine Ehrung bekommt man bei der dritten Spende. Das letzte Mal war wohl vor ein paar Jahren, jedenfalls war ich noch nie in Darmstadt zur Spende. Als ich mit dem Blutspenden angefangen habe, habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und nach dem Umzug nach Darmstadt ist es einfach in Vergessenheit geraten.

Ehrennadel

Ich spende beim Deutschen Roten Kreuz. Dort bekommt man in der Regel Getränke, einen Imbiss und gelegentlich ein kleines Geschenk. Weil der Termin vom AStA organisiert war, fand er im Vortragssaal der Universitäts- und Landesbibliothek statt. Dies hatte den Vorteil, dass die Studierenden keine weiten Wege zurücklegen mussten und in den Genuss einer klimatisierten Räumlichkeit bei der Entnahme kamen. Das ist bei den derzeitigen Temperaturen jenseits der 30 °C nicht zu unterschätzen. Als Dankeschön gab es einen Gutschein für ein Essen in der Mensa, ein paar Süßigkeiten und ein Werkzeugset fürs Fahrrad.

Vor der Entnahme musste man zunächst meinen Namen in der Datenbank finden, weil ich wie gesagt meinen Spenderausweis nicht zur Hand hatte. Mit mittlerweile geänderter Anschrift und Umlaut im Namen war dies für den Helfer gar nicht so einfach, hat dann aber doch geklappt. Früher gab es einen recht sperrigen gelben Ausweis aus Papier, in den die vergangen Spendertermine per Aufkleber eingetragen wurden. Mittlerweile kann man sich für einen neuen Ausweis im Format ID-1 (ISO/IEC 7810) entscheiden. Ich habe dies gerne angenommen, weil ich die Karte so in Zukunft besser im Geldbeutel transportieren kann und dann griffbereit habe, wenn ich wieder mal zur Spende gehe oder man in einem medizinischen Notfall meine Blutgruppe benötigt.

Nach einem Fragebogen und einem kurzen Gespräch mit einem Arzt geht es dann zur eigentliche Blutentnahme. Man liegt dabei, bekommt eine Hohlnadel in die Armbeuge und kann dann ca. fünf bis sieben Minuten warten, bis der halbe Liter Blut abgeflossen ist. Für einen besseren Fluss kann man einen Gummiball in der Hand kneten. Wenn genügend Blut im Beutel gesammelt ist, ertönt ein Jingle und man bleibt noch eine Weile liegen.

Anschließend wurde mir die sogenannte Ehrennadel in Gold verliehen. Dieser Gamification-Ansatz soll wohl dazu dienen, Menschen zur regelmäßigen Spende zu bewegen. Mir ist dabei ein bisschen mulmig zu Mute, weil die Ehrennadel ein staatlich anerkannter Orden ist und auch im militärischen Kontext Verwendung findet. Ehre bildet in einem naiven ethischen Konzept mit Schande ein Wertepaar und fördert sozialen Zwang („Seht her, was ich für ein guter Mensch bin!“). Diese Motive sind mir wirklich fremd und es geht mir bei der Spende nur darum, anderen Menschen bei medizinischen Behandlungen Medikamente zu Verfügung zu stellen, die bisher nicht synthetisiert werden können. Es geht mir auch nicht darum, Geld zu verdienen, wie dies in geringem Maße als Aufwandsentschädigung bei privaten Blutsendediensten der Fall ist.

Darmstadt kocht!

Vergangenen Donnerstag habe ich bei Darmstadt kocht! mitgemacht.

Darmstadt kocht!

Die Veranstaltung ist ein „Drei-Gänge-Menü in drei verschiedenen Küchen mit anschließender Abschlussparty“ im Schlosskeller.

Nach der Anmeldung bekommt man einen Kochpartner oder Kochpartnerin und einen der drei Gänge zugelost. Man kennt die Leute, mit denen man den Abend verbringen wird, in der Regel nicht. Wir hatten nur Kontaktdaten und jeweils Anschriften, an denen wir uns zu den festgelegten Zeiten zum Essen treffen sollten. Los ging es bei mir zu Hause um 18:00 Uhr. Ich habe mich mit meiner Kochpartnerin zuvor an einem Supermarkt verabredet und so konnten wir gemütlich einkaufen. Uns fiel die Rolle des Aperitif und der Vorspeise zu.

Meine Partnerin hat Hugo vorgeschlagen und so haben wir dann frische Minze, Holunderblütensirup und Sekt für unsere Gäste gekauft. Ich hatte die Idee, eine Suppe aus saisonalen Zutaten zu machen. Wir haben eine Steckrübe und einen etwas zu großen Hokkaido-Kürbis mit Suppengrün, Kokosmilch und Sahne zu einer herzhaften Suppe verkocht, die unseren vier Gästen ein warmes Willkommen an diesem Novbembertag bereiten sollte.

Suppe

Als ich Punkt 18:00 Uhr den Pürierstab zur Seite legte, klingelte es auch schon und das Essen konnte beginnen. Es entstanden tolle Gespräche mit Menschen, die man gerade erst getroffen hatte. Nach einer Weile trennten sich unsere Wege vorerst, da jedes zweier-Team zu einer anderen Location weiter ging. So fanden wir uns beide nach einer kurzen Strecke mit dem Rad in einer anderen Wohnung zum Hauptgang ein.

Da ich den Abend wirklich mit allen Sinnen genießen wollte und konnte, habe ich mit dem Fotografieren zurück gehalten. Es wurde für uns und nicht für Instagram gekocht und so bekamen wir einen asiatischen Kichererbseneintopf mit Joghurt und frischem Fladenbrot, das unsere Gastgeberinnen bei eines örtlichen türkischen Bäckerei gekauft hatten.

Dann hieß es wieder Aufbrechen und wir radelten ins Martinsviertel. Dieser Darmstädter Stadteil wird von Gründerzeitwohnungen und wunderschönem Kopfsteinpflaster geprägt und ist eine sehr begehrte Wohnlage für junge Familien und Studierende.

Nachtisch

Dort gab es eine unbeschreiblich leckere Schokoladen-Soufflé mit zähflüssiger Füllung, zweierlei Sorten Eis und einer Garnitur aus Blasenkirschen (Physalis) und Puderzucker. Man wollte den Teller ablecken und noch einen, aber das war leider so nicht geplant.

Nach und nach kam noch eine zweite Gruppe von sechs Leuten auf ein Getränk zu uns in die Wohnung und so trafen wir einige Gesichter aus den anderen Gängen wieder. Es wurde viel gelacht und von den Gängen berichtet, da ja jede Zweiergruppe jeweils woanders unterwegs war.

Zu guter Letzt waren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Schlosskeller eingeladen und so feierten wir noch einige Stunden in die Nacht. Darmstadt kocht war einer der schönsten Abende, die ich in meiner Universitätsstadt bisher erlebt habe. Danke für die bescheidenen Organisatoren, die weder Ruhm noch Geld für diese Leistung von uns verlangt haben!

Studierende der Hochschule Darmstadt haben die Veranstaltung mit einem Video begleitet.