Archiv der Kategorie: Darmstadt

Kleiner Schritt, großer Sprung

Turm

Mein jüngster Bruder war für ein paar Tage zu Besuch in Darmstadt. Leider war das Wetter nicht besonders gut, wir hatten immer wieder Regenschauer. Trotzdem haben wir am Donnerstag ein Freibad besucht: Wir waren im Mühltalbad, einer städtischen Badeanstalt in Darmstadt-Eberstadt.

Mühltal-Bad

Das Bad verfügt über ein Z-förmiges Hauptbecken mit acht 50-Meter-Bahnen, einer Rutsche und mehreren Sprungtürme. Außerdem gibt es einen Kinderbereich, den obligatorischen Kiosk und natürlich Duschen und Umkleidekabinen mit Schränken. Das Bad wurde im Jahr 1959 eröffnet und soll in Kürze modernisiert werden.

Das umgebende Gelände hat eine leichte Hanglage, die besonders in den Entwurf eingeflossen ist: Am Kiosk gibt es einen überdachten Aufenthaltsbereich mit breiter Fensterfront, durch die man wie in einem Aquarium die anderen Badegäste beim Schwimmen beobachten kann.

Badfenster

Die dunklen Flecken auf dem Foto sind keine Blätter im sehr klaren Wasser, sondern ein wenig Schmutz an der Scheibe. Wie man außerdem leicht erkennen kann, waren wetterbedingt kaum Gäste anwesend. Mit Personal waren wir an dem Nachmittag etwa 12 bis 15 Personen. Die beiden Bademeister waren ausgesprochen freundlich und entspannt. Einer hat beispielsweise von sich aus zwei Kindern kleine Fußballtore aus dem Lager geholt als er gesehen hat, dass die beiden auf der Wiese kicken.

Wir haben zunächst die 60 Meter lange Rutsche ausprobiert. Diese war aus Plastik und dadurch wie erwartet lahm und schlecht. Wer die Alternativen kennt, weiß aber, dass das nicht überall so sein muss. Beispielsweise stellt eine Firma aus dem osthessischen Rasdorf (Wiegand) die besten Bahnen her, die ich kenne. Diese sind aus Edelstahlabschnitten geschweißt und an den Nähten geschliffen und poliert. Das Material benetzt gut mit Wasser: Dadurch ergibt sich sowohl ein niedriger Reibungskoeffizient als auch ein durchgängiges Erlebnis ohne harte Kanten, die zu Hauptabschürfungen führen können. Am schnellsten sind diese Rutschen übrigens, wenn sie gerade z.B. wegen Gewitterwarnung abgestellt wurden. Dann bleibt nur ein ganz dünner Film auf der Bahn und man wird nicht von dem vielen Wasser, das man vor sich herschiebt, gebremst. Manchmal ist ein Rinnsal besser als ein großer Strom. Aber ich scheife ab…

Uns wurde erlaubt, den hohen Sprungturm nach eigenem Ermessen zu nutzen. Wir sollten natürlich darauf achten, dass immer nur dann gesprungen wird, wenn das Becken frei ist, aber wir durften die Absperrungen an den einzelnen Plattformen selber öffnen und schließen.

Seitenansicht_Turm

Also haben wir uns nach ein paar Sprüngen aus einem und drei Metern auf alle anderen Höhen hochgearbeitet. Ich bin in meinem Leben im Schwimmbad bisher nur aus maxmial fünf Metern ins Becken gesprungen. Meist waren, sofern vorhanden, höhere Türme geschlossen und bei starkem Betrieb wollten sich die Bademeister in anderen Schwimmbädern nicht dazu überreden lassen, die oberen Lagen zu öffnen. Überhaupt beobachte ich, dass in einigen Freibädern die Regeln eher verschärft als gelockert werden. Beispielsweise darf man mancherorts nicht mal mehr parallel einen 1-Meter- und einen 3-Meter-Turm nutzen. Dort wird circa alle 15 Minuten einer geschlossen und der andere geöffnet.

Jedenfalls haben wir uns nach dem Sprung aus fünf Metern auch auf die 7,5 Meter hoch gewagt. Das Gefühl ist schon merkwürdig. Obwohl ich immer ohne Furcht aus drei oder fünf Metern gesprungen bin, hab ich dort kurz gezögert. Allerdings war mir auch klar, dass eigentlich nichts schief gehen kann und bin dann den entscheidenden Schritt gegangen. Mit jeder Wiederholung wurde die Überwindung kleiner. Also haben wir uns schließlich die Königsklasse vorgenommen.

Zehn Meter sind ein tolles Gefühl, wenn man die Angst abgeschüttelt hat. Mein Bruder und ich haben so unsere ersten Sprünge aus dieser Höhe erfolgreich absolviert.

Ein Junge von acht Jahren, der mit seiner Oma im Schwimmbad war, hat uns dabei beobachtet. Er hat von ihr die Erlaubnis bekommen, es auch zu probieren und sich genauso getraut wie wir. Am Ende wars also doch ein Kinderspiel.

Ernstfall Kultur: Atomschutzbunker unter dem Karolinenplatz

Seit Samstag steht für etwas mehr als eine Woche ein Relikt des kalten Krieges in Darmstadt für jeden offen. Der Kulturverein das blumen e. V. ermöglicht zusammen mit der städtischen HEAG-Holding einen Atomschutzbunker mitten in der Stadt zu erkunden. Genauer liegt die Einrichtung unter dem Karolinenplatz, etwas versteckt als Anhängsel einer normal benutzten Tiefgarage.

Ich habe die Anlage bisher Sonntag und Montag besucht und konnte auch an einer Führung teilnehmen. Der Bunker aus den 1960er- bis 1970er-Jahren sollte knapp 2000 Menschen im Dreischichtbetrieb im Falle eines atomaren Angriffes Schutz bieten. Schichtbetrieb bedeutet in diesem Zusammenhang, dass immer nur ein Teil der Schutzsuchenden einen Schlafplatz hat, während die anderen stehen oder sitzen müssen.

Der Einstieg erfolgt über Treppen. An Barrierefreiheit dachte man nicht.

Einstieg

Der Komplex verfügt über eine autarke Stromversorgung. Im Netzersatzraum können Dieselaggregate Strom erzeugen. Außerdem gibt es einen Brunnen und eine Belüftungsanlage. Es war ein begrenzter Vorrat an Nahrungsmittel eingelagert, eine wirkliche Küche gibt es nicht. Vermutlich sollten sich die Menschen aus Konservendosen ernähren.

Schaltbild

#Bunkerselfie:

Bunkerselfie

Zwischenspeicher für Wasser:

Zwischenspeicher_fuer_Wasser

Im Bunker konnten sich der Bunkerwart und das restliche Personal über Telefone verständigen. Sie funktionieren heute noch mit Kurbel.

internes_Telefon

Die Schlafgelegenheiten sollten als Einheiten mit je drei Etagen mit zwei Liegen pro Etage in einem gesonderten Teil der Tiefgarage aufgebaut werden. Da die Tiefgarage im Moment normal genutzt wird, haben die Helfer von das blumen die Betten ausnahmsweise auf dem Karolinenplatz aufgestellt. So dienen sie in der Öffnungswoche als Blickfang und man kann in der Sonne darauf Probe liegen. Die Kinder nehmen die Klettergelegenheit gerne an, die Erwachsen entspannen sich.

Draußen aufgestellt mit etwa einem Meter Abstand, dem Augusthimmel über einem und wenigen Menschen nebeneinander ergibt sich ein ganz anderer Eindruck als er sich im Bunker einstellen würde: Dort stünden die Reihen deutlich enger, man hätte 65 Zentimeter Durchgang und 75 Zentimeter dicke Stahlbetondecken über sich.

Betten

Waschbecken, Toiletten und Duschen sind auch noch erhalten.

Waschbecken

Die Toiletten scheinen nie benutzt worden zu sein, da die Kabinenwände noch unverziert sind.

Toilette

das blumen will als Kulturverein nicht nur diese sonst verschlossene Anlage zeigen, sondern sie auch unter dem Motto Ernstfall Kultur bespielen. Es stellt sich so ein heftiger Kontrast zwischen der zum Glück längst vergangenen Zeit der atomaren Bedrohung, hervorgerufen durch den Wettkampf zweier verschiedener ideologischer Gesellschaftsvorstellungen, und der friedlicheren Zeit heute ein. Auf dem Programm stehen unter anderem eine Autorenlesung, Performancekunst, eine Vernissage, eine Diskoparty, die Präsentation von Masterarbeiten von Studierenden der Hochschule Darmstadt und ein allgemeiner Cafébetrieb. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Zurück an die Oberfläche:

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